Immobilienfinanzierung ohne Eigenkapital: Chancen und Risiken.
Einleitung
Eine Immobilienfinanzierung ohne Eigenkapital – oft als „100-Prozent-Finanzierung“ oder „Vollfinanzierung“ bezeichnet – ist eine Möglichkeit, den Traum vom Eigenheim zu realisieren, auch wenn kein angespartes Kapital vorhanden ist. Besonders in Zeiten steigender Immobilienpreise überlegen viele Menschen, ob eine Finanzierung ohne Eigenkapital eine sinnvolle Option ist. Doch was bedeutet das genau, und welche Chancen und Risiken bringt eine Vollfinanzierung mit sich? In diesem Artikel gehen wir auf die Grundlagen, Vor- und Nachteile sowie Tipps zur Umsetzung einer Finanzierung ohne Eigenkapital ein.
Bei einer klassischen Immobilienfinanzierung wird ein Teil des Kaufpreises durch Eigenkapital gedeckt, das idealerweise bei etwa 20 % des Kaufpreises liegt. Eine Finanzierung ohne Eigenkapital bedeutet hingegen, dass die Bank den gesamten Kaufpreis finanziert und der Kreditnehmer kein eigenes Kapital einbringt. Eine noch weitergehende Variante ist die 110-Prozent-Finanzierung, bei der die Bank neben dem Kaufpreis auch die Kaufnebenkosten übernimmt.
Vollfinanzierung vs. Teilfinanzierung
Vollfinanzierung (100-Prozent-Finanzierung): Die Bank übernimmt den gesamten Kaufpreis der Immobilie.
110-Prozent-Finanzierung. Die Bank übernimmt sowohl den Kaufpreis als auch die Kaufnebenkosten wie Notar- und Maklergebühren sowie die Grunderwerbsteuer.
Eine Vollfinanzierung ist besonders für junge Paare und Familien interessant, die sich Eigentum wünschen, jedoch noch kein Eigenkapital ansparen konnten. Allerdings gibt es einige Voraussetzungen, die für eine Finanzierung ohne Eigenkapital erfüllt sein müssen.
2.Voraussetzungen für eine Finanzierung ohne Eigenkapital
Da eine Finanzierung ohne Eigenkapital für die Bank ein höheres Risiko darstellt, müssen Kreditnehmer einige Voraussetzungen erfüllen:
Eine gesicherte finanzielle Situation ist das A und O. Da die Bank kein Eigenkapital als Sicherheit hat, prüft sie die Bonität des Kreditnehmers besonders gründlich. Ein hohes, sicheres Einkommen ist daher essenziell, um die höheren monatlichen Raten einer Vollfinanzierung tragen zu können.
Eine einwandfreie Schufa-Auskunft ist entscheidend. Negative Schufa-Einträge mindern die Kreditwürdigkeit und machen eine Vollfinanzierung oft unmöglich. Eine gute Schufa-Score zeigt der Bank, dass der Kreditnehmer seine Verpflichtungen in der Vergangenheit zuverlässig erfüllt hat.
Die Bank wird im Falle einer Vollfinanzierung besonderes Augenmerk auf den Wert der Immobilie legen. Immobilien in guten Lagen und mit hoher Wertbeständigkeit werden bevorzugt, da sie im Falle eines Zahlungsausfalls leichter veräußerbar sind
Der offensichtlichste Vorteil einer Finanzierung ohne Eigenkapital besteht darin, dass Käufer auch ohne angespartes Kapital Eigentum erwerben können. Angesichts steigender Immobilienpreise kann es Jahre dauern, ausreichend Eigenkapital anzusparen. Mit einer Vollfinanzierung entfällt diese Wartezeit.
Bei vermieteten Immobilien können die Zinsen der Finanzierung steuerlich abgesetzt werden. Die Möglichkeit, die Zinskosten als Werbungskosten geltend zu machen, kann eine Vollfinanzierung für Kapitalanleger attraktiv machen.
In Zeiten hoher Inflation ist eine Finanzierung ohne Eigenkapital vorteilhaft, da der Wert der aufgenommenen Kreditsumme inflationsbedingt sinkt, während die Immobilie im Idealfall an Wert gewinnt.
Wer kein Eigenkapital für den Kauf einer Immobilie einsetzen muss, kann dieses Kapital anderweitig investieren oder für Notfälle zurückhalten.
Risiken und Nachteile einer Finanzierung ohne Eigenkapital
Höhere Zinsen und monatliche Belastungen
1.Ohne Eigenkapital ist das Risiko für die Bank höher, was meist durch einen Zinsaufschlag kompensiert wird. Das bedeutet, dass Kreditnehmer einer Vollfinanzierung oft höhere Zinsen zahlen als bei einer Finanzierung mit Eigenkapital. Diese höheren Zinsen führen zu einer höheren monatlichen Belastung und können die finanzielle Flexibilität einschränken.
Da das Darlehen höher ist, sind meist auch die Kreditlaufzeiten länger. Dies kann dazu führen, dass die Immobilie erst sehr spät abbezahlt ist, was die Rentabilität beeinträchtigen kann, vor allem bei einer Selbstnutzung.
Ein weiterer Nachteil ist das Risiko einer Überschuldung. Sollte der Immobilienwert sinken oder das Einkommen des Kreditnehmers schwanken, kann es schnell zu Zahlungsschwierigkeiten kommen.
In einer Niedrigzinsphase abgeschlossen, kann eine Vollfinanzierung nach Ablauf der Zinsbindung ein erhebliches Risiko bergen, da ein Zinsanstieg die Anschlussfinanzierung verteuert und zu einer Restschuld führt, die eventuell schwerer zu tragen ist.
Falls Sie eine Finanzierung ohne Eigenkapital in Betracht ziehen, gibt es einige Strategien, die das Risiko minimieren können:
Eine hohe anfängliche Tilgungsrate reduziert die Restschuld und somit das Zinsrisiko bei einer Anschlussfinanzierung. Es empfiehlt sich, mit einer Tilgungsrate von mindestens 3 % zu starten, um den Kredit schneller abzubauen.
Eine lange Zinsbindung von 15 bis 20 Jahren kann helfen, die monatliche Belastung über einen längeren Zeitraum konstant zu halten. Gerade bei einer Finanzierung ohne Eigenkapital ist es wichtig, gegen steigende Zinsen abgesichert zu sein.
Auch wenn kein Eigenkapital in den Kauf fließt, ist es sinnvoll, einen finanziellen Puffer für unvorhergesehene Kosten (z. B. Reparaturen) zurückzulegen. Damit lassen sich unerwartete Ausgaben besser abfedern, ohne dass der Kredit ins Wanken gerät.
In Deutschland gibt es diverse Fördermöglichkeiten, die auch bei einer Vollfinanzierung in Anspruch genommen werden können. Förderbanken wie die KfW bieten zinsgünstige Kredite für energieeffizientes Bauen oder Sanieren an, die die Gesamtfinanzierungskosten reduzieren können.
Um das Risiko eines Wertverlusts der Immobilie zu minimieren, sollten Sie Immobilien in attraktiven, wertstabilen Lagen bevorzugen. Eine Immobilie mit einer guten Markt- und Wertentwicklung ist auch für die Bank als Sicherheit wertvoller.
Eine Finanzierung ohne Eigenkapital kann für bestimmte Personengruppen sinnvoll sein:
Junge Käufer mit hohem Einkommen**: Berufseinsteiger oder junge Paare, die zwar ein hohes Einkommen, aber noch kein Eigenkapital haben, können von einer Vollfinanzierung profitieren.
Kapitalanleger: Bei einem gut vermietbaren Objekt können Kapitalanleger durch steuerliche Vorteile und steigende Mieteinnahmen profitieren.
Personen mit sicheren Anstellungen: Wer in einer krisensicheren Branche arbeitet, kann sich den höheren finanziellen Verpflichtungen einer Vollfinanzierung leichter stellen.
Fazit: Finanzierung ohne Eigenkapital – eine Entscheidung mit Bedacht
Eine Immobilienfinanzierung ohne Eigenkapital bietet die Chance, auch ohne langes Ansparen in das Eigenheim oder eine Kapitalanlage zu investieren. Sie bringt jedoch höhere Kosten und Risiken mit sich, die gut abgewogen werden sollten. Wer sich für eine Vollfinanzierung entscheidet, sollte die finanziellen Voraussetzungen und ein solides Einkommen mitbringen, um auch in schwierigen Zeiten zahlungsfähig zu bleiben. Eine sorgfältige Planung und die Wahl der richtigen Strategien – wie eine hohe Tilgungsrate und eine lange Zinsbindung – können helfen, die Risiken zu minimieren. In jedem Fall ist es ratsam, sich von einem Finanzierungsexperten beraten zu lassen, um die beste Entscheidung für die persönliche Situation zu treffen.